Pfingsttour 2000: Praia do Guincho (Wie alles begann) Eines Tages sagte Goleg zu seinen beiden Freunden Oleg und Elog: „Ich kenn einen supi Strand in Portugalien. Das Wasser ist herrlich warm und die Wellen sind auch gar nicht so schlimm hoch. Da kann man ganz toll Wellenreiten lernen. Und einen lustigen Campingplatz gibt’s auch noch ganz in der Nähe.“ „Auf nach Portugalien“, antwortete Oleg. „Das wird ein Spass“, fügte Elog hinzu. Die Reisevorbereitungen lassen an Professionalität nichts zu wünschen übrig. Sogar mondän-luxuriöse Campingsessel gehören zum Equipment, können aber leider am Flughafen nicht als Handgepäck deklariert werden. Ja, sogar der Flug selbst findet statt, obgleich selbiger in einem Anflug von Neugier, Übermut und Euphorie bei einem gänzlich unseriösen Internet-Anbieter gebucht wurde. Bedenken ob der Zurechnungsfähigkeit des Dienstleisters gab es spätestens, als eine Rechnung ohne Angaben zur Bankverbindung per E-Mail kam. Macht ja nichts. Schliesslich wird noch die 6jährige Nervensäge, die die ganze Zeit durchs Flugzeug trampelt, mit Hilfe eines doppelten Screwdrivers ruhiggestellt. In Lisboa angekommen soll beim local Betrüger zunächst einmal ein amtliches Drecksauto weggemietet werden. Wie geplant landen wir dazu bei einem wirklich schmierigen Vertreter seiner Zunft und erhaschen sogar einen fast zu passablen Kleinwagen der Marke Fiat, den es innerhalb einer Woche ´runterzurockern gilt. Die Fahrt führt ohne nennenswerte Umwege direkt ans Meer. Estoril, Cascais, dann unser Ziel: Praia do
Guincho. Kurze Anmerkung des Verfassers: Da dieser schonungslos
aufdeckende Tatsachenbericht erst nach über zwei Jahren abgefasst wird, können
die einzelne Tage des Urlaubs und was an diesen so geschah irgendwie gar nicht
mehr so gut auseinandergehalten werden. Deswegen reisst die chronologische
Darstellung der Ereignisse jetzt leider auch ab. Beim ersten Besuch am Strand wird allen Beteiligten dann auch
ziemlich schnell klar, wieso es sich bei Guincho um den vielleicht berühmtesten,
auf jeden Fall berüchtigsten Surf-Spot von ganz Portugisien handelt. Statt der
erwarteten soften Einsteigerwelle für Surf-Rookies, gibt’s hier Killler-Waves
von drei bis Meter Höhe, dazu eine handvoll Windstärken, die jeden
unerschrockenen Windsurfer eher das kleinere Segel `rauskramen lassen. Na gut, nützt
ja nichts. Hab‘ ich euch doch gemailt... Ganz großes Hallo dann erstmal beim ansässigen
Surf-Gear-Verleiher. Wir brauchen dreimal alles, was permanentes Dürchziehen
der Kreditkarten mit sich bringt. Komplett eingehäutet mit nagelneuen Wetsuites,
die es noch einzunässen gilt, gehen Elog und Oleg mit Boogie-Bords und Fins an
Start. Goleg setzt sogar schon auf klassische Longbeboardung. Es wäre nun müßig, jede Havarie, jedes Fast-Absaufen,
jeden Vollwaschgang, sprich das gesamte Repertoire des Scheiterns im einzelnen
aufzuführen. Anfänger an einem Platz für Profis. Was soll dabei schon
herauskommen? Aber schöne Aktionen und Manöver gibt’s zu beobachten. An Mut
mangelt es den drei Freunden jedenfalls nicht. Den beiden Boogieboardern
versucht Goleg wertvolle Tips zu geben, denn hier sind sogar schon Erfahrungen
von zwei vorherigen Urlaubsreisen vorhanden. Die nützen nur gar nichts, wenn
die Wellen so heftig und schnell hintereinander auf einen einschlagen, dass ans
Rausschwimmen überhaupt nicht zu denken ist. Irgendwie gelingt’s dann doch
mal, aber was das Meer dann mit einem macht, erweist sich als äußerst tückisch.
Wir durchleben Todesängste. Ertrinken oder an den Klippen zerschellen. Beides
ist wenigstens für einen kurzen Augenblick ganz gegenwärtig. Aber es kommt
sogar vor, dass bisweilen schon mal die eine oder andere Welle abgeritten wird
– dies wird anschliessend ausgiebig als ein Sieg im Kampf gegen die
Naturgewalten gefeiert. In der Regel endet so eine Surfsession aber immer mit
einer sekundenlangen Unterwasserkomplettdurchschleuderung gefolgt von kurzem
Auftauchen, nach Luft schnappen und der nächste Ladung auf’n Kopf. Bei der
finalen Rettung durch völlig entkräftetes ans Ufer-Gekrieche entstehen immer
wieder die Assoziationen an aus der See ausgespuckten und nun absolut lebensunfähigen
Schweinswaalen, die an Land nur noch wenige Augenblicke herumzujapsen haben.
Irgendwann ist es dann auch bei Goleg soweit. Nach dreimaligen Kopfüber-Eintauchen
des Longboards mit darauffolgender Total-Begrabung unter Riesenwelle, hisst er
die weisse Flagge und tauscht sein Surfbrett reumütig gegen ein Boogieboard
ein. Ab da hat er wesentlich mehr
Spaß in der Brandung. Außerhalb des Wassers kommt man wieder zur Besinnung. Der
Strand ist herrlich. Es gibt Platz in Hülle und Fülle - bei den attraktiven
portugalischen Mädchen gilt dies eher umgekehrt: Wenig Fülle, knappe Hüllen.
Also lungern wir herum. Zu beobachten gibt es aber noch mehr, wovon wir nur träumen
dürfen: Die einheimische Jugend führt uns vor, wie das so geht auf dem Wasser:
Akrobatische Wellenreiter, supercoole Skim-Boarder, trendsetzende Kite-Surfer
und ab 14 Uhr, wenn der Wind angeschaltet wird, kommen auch
noch wirklich verwegene Windsurfer dazu. Sogar ein Windsurf-Worldcup wird
in der Woche abgehalten. Wir sind ganz weit vorne. Weil’s am Strand aber doch irgendwann langweilig wird,
beschließen wir, die Damenwelt mit in unsere Gesellschaft einzubeziehen. Schließlich
gehören unsere Heldentaten verkündet und ausreichend
bestaunt. Nur leider sind wir für die südländischen Schönheiten
offenbar überhaupt nicht existent. Dieser
Umstand könnte nicht zuletzt darin begründet sein, dass in der
elgant-maritimen Umgebung von Cascais und Guincho unsere trashigen Badelatschen
noch nicht in Mode sind, wir zu Unrecht als blöde deutsche Camper vorverurteilt
werden. Da trifft es sich ausgezeichnet, dass gleich zwei deutsche
Interrailerinnen ihr mickriges Zelt unvorsichtigerweise direkt neben unserer
Wagenburg aufbauen. Der Kontakt ist quasi automatisch hergestellt. Die beiden
Abiturientinnen Nora und Daniela lassen sich schon dadurch beeindrucken, dass
wir uns jeder ein eigenes Zelt leisten können. Auch ein gemeinsames Dinner beim
Italiener in Cascais und ungefähr 15 Caipirinhetten für die beiden gehen auf
unsere Rechnung. Dafür dürfen wir dann auch Zeuge sein, wie Mädchen sich so
wegen Nichts anzicken. Na bitte. Die zwei leisten uns also drei Tage lang
Gesellschaft, dürfen sich dafür so manchen blöden Spruch von uns anhören. Immerhin fahren wir die beiden auch nach Lissabon zum
Bahnhof. Mit ekstatischen Hupkonzerten, die wir Ahnungslosen nicht im mindesten
deuten können, feiern die Portugalier den Sieg bei der EM2000 über die
deutsche Fußballmannschaft. Auch das noch. Die Autofahrt im Zentrum von Lisboa
ist ein Erlebnis für sich. Abenteuerlicher Verkehr lässt Boleg am Steuer
unseres nach Kupplung und Bremse stinkenden Puntos zur Hochform anlaufen. Wir
werden dennoch in unsere Schranken verwiesen. Der Pizza-Bote auf seinem
Zweitakt-Krad verbläst uns souverän auf dem Hinterrad und wheelt auch noch die
ganze Straße herunter, wobei er die Spur beliebig oft wechselt ohne nach links
oder rechts zu gucken. Neben diesen kulinarischen Köstlichkeiten, der außerordentlichen
Gastfreundschaft, den bemerkenswerten Personen, die uns über den Weg laufen (zu
erwähnen sei noch der völlig verdudete Proffessor, der mit ´runtergelassener
Hose auf’m Campingplatz herumfault und das Ziel verfolgt, sich wegen
angeblicher Hodenkrebs-Diagnose zu Tode zu saufen) und der extrem entspannten
Grundstimmung überall an den nahe gelegten Praias (ganz prima: Praia Grande)
muss selbstverständlich auch das gigantische Wetter erwähnt sein. Von Sonne
und Hitze werden wir so verwöhnt, dass zum Schluss einfach in den Dünen übernachtet
wird. O.K., weil dazu natürlich unser ganzer Krempel schon im Auto
untergebracht sein musss, wird selbiges natürlich Opfer eines Aufbruchversuchs.
Aber es kommt nichts weg und der Schaden am Fiat wird bei der Wagenabnahme
geschickt vertuscht. So bleibt als Resümee der ganzen Reise, das wir zwar vor dem
Trip an die North Shore/Hawaii noch etwas üben müssen, dafür aber eine dermaßen
lässige Woche zu dritt verlebt haben, dass ein völlig neues Bedürfnis nach
solchen Aktionen begründet wurde. Das war erst der Anfang...
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