Tahoe Zu Weihnachten ist die IPC in alle Himmelsrichtungen verstreut. Da ich zum Fest nicht allein in L.A. abhängen will, wird aus der Not eine Tugend gemacht und eine spontane Snowbeboardung angemeldet. Mit von der Partie: Mein neuer, französischer Kollege Gael („Hallo, ich bin Geil.“) und sein alter Studienfreund Jeremie, gerade zu Besuch in Amerika. Wie nicht anders gewohnt, bleibt die Ausscoutung eines adäquaten Wintersportgebiets, Buchung einer Unterkunft und der Erwerb von Schneeketten an mir hängen. Der Herr Designer hat nämlich soviel zu tun. Jeremie wird gar nicht erst gefragt. Reserviert wird ein Motel in South Lake Tahoe, ca. acht Stunden Autofahrt von Los Angeles entfernt: Ein Zimmer, drei Betten, fünf Nächte, 400 Dollar. Samstag um acht Uhr morgens soll’s losgehen. Die Abfahrtszeit wird von den französichen Freunden kurzfristig um eine halbe Stunde nach hinten korrigiert, um zehn kommen wir dann tatsächlich mal los, nach einer dreiviertel Stunde Fahrt kommt das Verlangen nach einer ersten Pause auf. In den Autobahnraststätten wird das Getränkesortiment penibel genau studiert, ausserdem müssen Telefonate geführt werden – kurz: eine ewige Warterei. Dazu kommt noch die übertriebene Besorgnis bei der Überquerung einer völlig schnee- und eisfreien Passstraße – ein Wunder, dass wir überhaupt ankommen. Das Tahoe Queen Motel hat seine Glanzzeit bereits hinter sich, aber der heisse Whirlpool und die Massagefunktion der Betten durch Einwurf einer 25-Cent-Münze zeugen vom Luxus vergangener Tage. Leider sind nur zwei Komfortbetten vorhanden. Gael kriegt das Klappbett, Jeremie und ich kriegen das Geheule von Gael ab. Irgendwas ist immer: Die Matratze zu weich, die Federn zu spitz, die Decken zu dünn, Lärm am Abend, Krach am Morgen, Kopfschmerzen hier, Zipperlein da. Egal, meine Nachtruhe bleibt davon unbehelligt (auch auf dem Klappbett, was aus Solidarität und Mitleid jeder mal ausprobiert). Ich bin immer herrlich ausgeschlafen und mache mich jeden Morgen auf zur ersten Gondel, allein. Die unmittelbare Nähe von Motel und Talstation ist Gold wert. Nicht auszudenken, man hätte sich aufgrund einer elenden Fahrerei morgens auf eine gemeinsame Zeit einigen müssen. Zur Sicherheit verabreden wir jeden Tag immer zwei Termine, an denen wir uns auf dem Sky Deck treffen wollen: Um elf und um ein Uhr. Zur Sicherheit meint in diesem Fall, dass die französische Fraktion mit Sicherheit nicht um elf auf dem Berg auftauchen wird. Dabei sind die Wintersportbedingungen fantastisch: Unser Skigebiet „Heavenly“ ist über 3000m hoch, hat fett Neuschnee gleich zu Beginn, im Vergleich zu den Alpen lungern viel weniger Menschen hier ´rum, es gibt einen spektakulären Blick auf den riesigen Lake Tahoe und traumhafte Powderabfahrten durch die Wälder. Falls man tatsächlich mal in einer Schlange am Sessellift warten muss, sorgen mehr oder weniger strenge Einweiser dafür, dass es keine Drängelei gibt und dass keine Sitzplätze verschwendet werden („You three and a single.“) Aber es gibt noch mehr Unterschiede zu Europa: Keine Gletscher, dafür Vegetation bis zum Gipfel, kein Bergpanorama drumherum und leider für Snowboarder richtig beknackte Ziehwege. Sowieso ist Heavenly grundsätzlich völlig verwirrend angelegt. Der Berg liegt zu einer Hälfte in Kalifornien und zur anderen in Nevada. Die statt Talabfahrt zu nehmende Gondel liegt auf der kalifornischen Seite, um aber zu selbiger zurückzukommen, muss ein Riesenumweg über Nevada gemacht werden. Als am Ende des ersten Tages Nebel aufkommt, verlieren eigentlich alle neuen Wintersportgäste die Orientierung und das Liftpersonal kennt den Weg auch nicht so genau. Das enttäuschendste bleibt aber, dass keinerlei Atmosphäre aufkommt. Partymäßig ist Heavenly absolut unterentwickelt. Kein Hüttenzauber, keine Musik, keine Williams-Christ-Birnen, keine Skihasen. Die Gastronomie auf’m Berg erinnert eher an Autobahngaststätten an der A7. Noch trauriger ist das Bild im Ort. South Lake Tahoe kennt kein Apré-Ski. Auf der kalifornischen Seite gibt es wenigstens noch einen Pub direkt an der Gondel. Aber nur wenige Schritte entfernt verläuft die Grenze, und hinter der reiht sich ein Casino an das nächte. Hier halten sich aber offensichtlich nur Menschen auf, die mit Wintersport überhaupt nichts zu tun haben. Natürlich haben die schmierigen Spielhallen auch nicht die Klasse wie in Las Vegas. In den angeschlossenen Discotheken möchte man nicht tot über dem Tresen hängen. Das hindert uns selbstverständlich nicht daran, am heiligen Abend nach unserem exzellenten Weihnachtsdinner ein paar Dollar zum Fenster ´rauszuwerfen. Erfreulicherweise konnte gleich am ersten Abend die Bekanntschaft zu Kean (aus England) und der reizenden Cecile (aus der Schweiz) gemacht werden (junges Eheglück, Elvis-Hochzeit in Las Vegas und so). Zu fünft wird auch noch den ganzen „cheasy“ Lokalitäten am Abend reichlich Vergnügen abgetrotzt. Und der reklamierfreudigen Cecile ist es zu verdanken, dass bei einem nur durchschnittlichen Dinner im Hard Rock Café die ganze Rechnung auf’s Haus geht. Weitere Highlights: die 24-Stunden-James-Bond-Klassiker-Weihnachts-Ausstrahlung, die vor allem Gael und Jeremie noch später auf die Pisten lassen, und der heisse Whirl-Pool am Abend, der nur barfuß durch den Schnee zu erreichen und dafür auch gar nicht mal so heiss ist, und den nach Angaben unseres Motelbetreibers am Vorabend verbotenerweise „eight orientals!“ zum Überlaufen gebracht haben sollen Das Resümee über den Tahoe-Trip fällt völlig unterschiedlich aus: Gael, der sich darüber beschwert, dass er viel zu wenig Abfahrten machen konnte, möchte unbedingt nochmal hierher. Jeremie beklagt sich, dass er sich als Snowboard-Anfänger eigentlich nur kontinuierlich verschlechtert hat. Mir schliesslich reichen vier Tage Heavenly (Tages-Skipass nur 60$) vollkommen. Hab\' auf’m Snowboard alles gegeben. Der Berg ist abgeritten. But IPC does it better. |
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